NLP: Kritische Anmerkungen zum „Meta-Modell der Kommunikation“
Das Meta-Modell der NLP bedient sich zunächst der grundlegende Unterscheidung von Objekt- und Metasprache, die Gregory Bateson 1964 in Anlehnung an die bekannte „Russellsche Antinomie“ (B. Russell, A. N. Whitehead: Principia Mathematica – „Die Menge aller Mengen kann nicht selbst eine Menge sein“) zur Unterscheidung der logischen Ebenen in der Lerntheorie vorgeschlagen hat. Russell und Whitehead beschäftigen sich mit den Folgen selbstreferentieller Strukturen in mathematischen, d.h. irreflexiven Theorien. Diesen inzwischen verworfenen Versuch einer Typisierung logischer Ebenen wollte damals Bateson für die Sozialwissenschaften adaptieren. Worum geht es bei dieser Theorie, die noch 30 Jahre später bei Robert Dilts fröhliche Urständ feierte (Changing Beliefs with NLP), obwohl sie schon zu diesem Zeitpunkt in der wissenschaftlichen Diskussion längst als überholt galt. Grundsätzlich geht es um eine Klassifizierung von logischen Objekten, die eine ganze Hierarchie von Typen bilden. Individuen sind Objekte des 0-ten Typus, Eigenschaften (bzw. Klassen) von Individuen sind Objekte des 1-ten Typus, Eigenschaften von Klassen 1-ten Typus, Eigenschaften von Eigenschaften 1-ten Typus usw. sind Objekte des 2-ten Typus, usw.
Der Sachverhalt, der zur Formulierung der Typentheorie bzw. der Theorie der logischen Ebenen geführt hat, besteht kurz gesagt darin, dass Aussagen über Aussagen logisch gesehen problematisch sein können und zu Paradoxien und Antinomien führen können, was die Operativität eines mathematischen Systems zerstört. Die Unterscheidung von Objekt- und Metasprache, die eine Folge der Typentheorie darstellt, ist somit der Versuch, ein solches Sprechen wieder unter Kontrolle zu bringen. Anders formuliert: Selbstreferentialität oder Selbstthematisierung wird hier in den unendlichen Regress der Typenhierarchie verbannt. Auf naive Art nutzt Dilts mit seinen „logischen Ebenen“ also eine Darstellungsweise, die sich zwar bei objektiven Sachverhalten, wie z.B. einem Computer bewährt hat, die aber bei selbstreferentiellen Strukturen wie der Subjektivität entschieden zu kurz greift.
Warum? Ganz einfach: Derartige komplexe Strukturen lassen sich sinnvollerweise nicht hierarchisieren, weil ihre Beziehungen zirkulär oder heterarchisch sind. Denn subjektive Leistungen finden immer simultan auf mehreren Ebenen statt. Bei dem Versuch, Wechselbezüge sozusagen vom Modell her auszuschließen, schleichen sich automatisch Nominalisierungen ein, die für die NLP kontraproduktiv sind. Das sog. Meta-Modell Bandlers und Grinders bezieht sich nach Darstellung der Autoren mehr auf ein linguistisches Modell, das der Sprachwissenschaftler Noam Chomsky am MIT seit Ende der 50er Jahre entwickelt hat.
Chomskys Abkehr vom behavioristischen Reiz-Reaktions-Schema Skinnerscher Provenienz leitete auch in der Lingustik eine „kognitive Wende“ ein. Seit der Publikation seiner Aspekte der Syntaxtheorie (1965) steht nicht mehr das konkrete Verhalten (in Chomskys Terminologie: die Performanz) im Mittelpunkt sprachwissenschaftlicher Untersuchungen, sondern ein diesem Verhalten zugrunde liegendes – letztlich genetisch bedingtes – komplexes Regelsystem, das als internalisiertes sprachliches Kenntnissystem zu verstehen ist (die Kompetenz).
Die sog. Generative Transformationsgrammatik Chomskys unterscheidet zwischen einer Oberflächen- und einer Tiefenstruktur sprachlicher Kommunikation (deep and surface structures). Chomsky, der die Linguistik stets als Teilgebiet der kognitiven Psychologie betrachtet hat, ging davon aus, dass beide Strukturen beschreibbaren Transformationsregeln unterliegen, die Rückschlüsse von der Oberflächen- auf die Tiefenstruktur erlauben. Syntaktische Zusammenhänge werden so beschrieben, dass von einer sprachlichen Tiefenstruktur ausgegangen wird, die durch ihre Rolle in der Syntax (als Ausgangspunkte der transformationellen Derivationen) und ihre Rolle in der semantischen Interpretation charakterisiert wird.
Aus dieser entsteht durch Transformationen eine wahrnehmbare Oberfläche. Oberflächen- und Tiefenstruktur beziehen sich auf denselben Sachverhalt, wobei die Tiefenstruktur eine große Zahl an Oberflächenstrukturen gleicher/ ähnlicher Bedeutung zulässt, die jedoch zugunsten der tatsächlich gewählten Oberflächenstruktur aufgegeben werden. Bandler und Grinder haben dieses theoretische Konzept (in einer sehr einfachen Analogie, die nicht streng-wissenschaftlich interpretiert werden darf) auf die menschliche Kommunikation übertragen, nicht ohne sich dabei noch kräftig aus Alfred Korzybskis 1933 verfassten Hauptwerks Science and Sanity zu bedienen, in dem der Autor seine Theorie des „Neuro linguistic training“ entwirft. In „Metasprache und Psychotherapie“ berufen sie sich an zentralen Stellen darüber hinaus mehrfach auf den Neukantianer Hans Vaihinger und sein Hauptwerk „Die Philosophie des Als-ob“ (1873), den man wohl zu Recht als einen der Ahnväter des radikalen Konstruktivismus bezeichnen könnte.
Das NLP-Meta-Modell ist eine Methode, durch die eine verzerrte und damit nach dem Modell: einschränkende Oberflächenstruktur (Sprachmuster des Subjekts) auf die korrespondierende Tiefenstruktur (den Sprachmustern zugrunde liegende prozessuale Erfahrungen und Wahlmöglichkeiten) zurückgeführt wird, um es dem Subjekt zu ermöglichen, sich diese Erfahrungen und Wahlmöglichkeiten sinnesspezifisch konkret bewusst zu machen. Es versteht sich als ein Modell sprachlicher Kommunikation – ein Modell, wie Menschen auf eine unbewusste Art Sprachmodelle entwerfen.
Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass es drei Ebenen gibt, die miteinander in Wechselwirkung stehen:
- eine vorsprachliche Ebene der Erfahrung,
- eine Tiefenstruktur der Sprache und
- eine Oberflächenstruktur der Sprache.
(1) Die Ebene der Sinneserfahrung wird mit der vorsprachlichen Ebene der Repräsentations-Systeme gleichgesetzt, mit dem inneren Erleben, den inneren Zuständen. Dieses Erleben kann bruchstückhaft in das kulturelle und gesellschaftlich geformte Medium der Sprache übersetzt werden (nur für Teile unserer Erfahrung verfügen wir über Begriffe).
(2) Die Tiefenstruktur der Sprache verrät noch ihre größere Nähe zur ursprünglichen Erfahrung. Sie ist semantisch angereichert mit vielen sinnlichen Informationen.
(3) Im Alltag verwenden wir demgegenüber die Oberflächen-Struktur: eine Sprache, die sich weit vom dem ursprünglichen Erleben entfernt hat. Erfahrung und Sprache, Tiefenstruktur und der Oberflächenstruktur unterscheiden sich nach dem Meta-Modell, das auf einem naiven, völlig unreflektierten Identitätsbegriff aufsetzt, durch drei Prozesse:
a) Tilgung,
b) Verallgemeinerung und
c) Verzerrung.
a) Tilgung entsteht aus einer mangelnden Wahrnehmung der Welt: nur ein Teil von dem, was – aus Sicht einer anders gearteten Wahrnehmung – vorhanden ist, wird wahrgenommen. Der Rest wird nicht bewusst aufgenommen. Er wird getilgt und erscheint nicht in der Sprache. Ein Beispiel: Im Satz „Ich habe Angst“ sind viele Umstände getilgt, die meine Angst ausmachen.
b) Verallgemeinerungen sind Generalisierungen: eine spezifische Erfahrung wird auf eine ganze Klasse von Erfahrungen übertragen. Der Satz „Niemand liebt mich“ überträgt den Tatbestand, der vielleicht für einige Menschen gelten mag, auf alle Menschen.
c) Verzerrungen entstehen, wenn alte Modelle so dominant sind, dass sie durch neue Fakten schwer oder kaum zu korrigieren sind. Weil alle Wahrnehmung modell-abhängige Wahrnehmung ist, ist Verzerrung ein alltägliches Phänomen. Von Verzerrung im engeren Sinn spricht man im NLP insbesondere dann, wenn das Wirken hinderlicher Glaubenssätze (beliefs) beobachtet werden kann (Dabei wird vorausgesetzt, dass die Person, die beim Anderen eine Verzerrung behauptet, über ein reicheres Modell der Welt verfügt.).
Der Satz „Mein Lehrer mag mich nicht“ verzerrt die Realität insofern, als unklar bleibt, nach welchen Kriterien er gültig ist und welche neuen Ereignisse ihn ungültig machen können. Sofern man den persönlichkeitstheoretischen Anspruch ignoriert bzw. relativiert, kann das Meta-Modell als rein pragmatische Herangehensweise nach dem Motto „Hauptsache, es funktioniert irgendwie“ durchaus brauchbar sein. Als wissenschaftlicher Erklärungsansatz ist es allerdings weit vom heutigen Stand der Neurowissenschaften entfernt – voller unbewiesener Behauptungen und inkonsistent in der Beweisführung.