• Geschichte,  Miscellanea

    Auf dem Segler von Caspar David Friedrich

    Die Geschichte der romantischen Bewegung in Deutschland ist eine Geschichte voller Brüche und Missverständnisse. Nur zwischen 1933 und 1945 schien alles klar zu sein. Denn für die Nationalsozialisten war anscheinend die Romantik die einzig akzeptable Form von Kunst, abgesehen von Arno Brekers monumentalen Skulpturen und den großformatigen sterilen Akten des »Reichsschamhaarmalers« Adolf Ziegler.  Man feierte die Romantik als besten Beleg für die »deutsche Innerlichkeit«.  Ganz besonders das Werk Caspar David Friedrichs galt den neuen Machthabern als die ‚reinste Verkündigung der Seele des ewigen Deutschlands‘. Beim Lesen von Florian Illies neuem Buch über Caspar David Friedrich, Zauber der Stille, stieß ich auf eine Geschichte, die Stoff für einen Roman, zumindest für…

  • Film,  Lyrik

    Jacques Prévert – Der Barde des 20. Jahrhunderts

    Prévert, das sind für mich vor allem alte Schwarz-Weiß-Fotos, die ihn zeigen, den Bohèmien und Dichter, ein Typ, wie ihn nur Frankreich hervorbringen konnte; den Verfasser des Skripts der unsterblichen Kinder des Olymp (Les enfants du paradis), eines Films, den Marcel Carné, der Meister des Poetischen Realismus,  zwischen 1943 und 1944 mitten im Krieg unter schwierigsten Bedingungen fertigstellte.

  • Bücher,  Diskussion,  Geschichte

    War Shakespeare eine Frau?

    Die Titelfrage ist nicht so absurd, wie sie beim ersten Hören vielleicht klingen mag. Was ist nicht schon alles über Shakespeares Leben spekuliert worden. Es lädt ja geradezu dazu ein, denn da gibt es bekanntlich nur wenige nachprüfbare Fakten. Es sind aber ganz besonders die Frauengestalten in Shakespeares Werk, die daran zweifeln ließen, dass ausgerechnet der Mann, dessen Werk starke, gebildete, ja geradezu protofeministische Frauen bevölkern, seine eigenen Töchter als Analphabeten aufwachsen ließ. Denn genau dies tat der historische William Shakespeare, dessen Frau Anne Hathaway höchstwahrscheinlich ebenfalls nicht lesen und schreiben konnte.

  • Der Engel weckt Elijah
    Diskussion,  Theologie

    Der zarte Klang der Stille

    Zu einer Elija-Perikope in 1Kön 19,1-18 Beim Seder-Mahl an Pessach ist es Tradition, einen Stuhl und ein Gedeck für den Propheten Elija bereit zu halten, getrau der Prophezeiung Maleachis: „Bevor aber der Tag des HERRN kommt, / der große und furchtbare Tag, / seht, da sende ich zu euch den Propheten Elija.“ (Maleachi 3,23) Denn Elijas Kommen kündigt nach jüdischem Glauben den Messias an. Der mythische Prophet Elija nimmt in der jüdischen Tradition eine Sonderstellung ein. Das liegt vielleicht am dunklen Geheimnis, das seine Geburt, seine Kindheit und seine Familie umgibt, womöglich aber auch daran, dass er so plötzlich und unvermittelt in der Heiligen Schrift auftaucht. Ein Wanderprediger voller intensiver…

  • Miscellanea,  Philosophie,  Theologie

    Sankt Augustinus und die Zahnschmerzen

    Als Patronin der Zahnschmerzen, pardon: derer, die an den Zähnen leiden (ja, sowas gibt’s!), gilt heute allgemein eine ägyptische Konvertitin zum Christentum – ja, selbstverständlich eine Märtyrerin! Die hl. Apollonia soll im 3. Jahrhundert gelebt haben. Da Apollonias Eltern partout keinen Kinder kriegen konnten und auch das Anflehen der diversen heimischen Götter nicht half, soll sich Apollonias Mutter um die Fürsprache der Gottesmutter Maria direkt bei Jesus bemüht haben. Und wurde natürlich schwanger – mit einer Tochter, die sie dann sinnvollerweise nach dem Gott Apoll benannten: Apollonia. Als das junge Mädchen später von dieser wundersamen Fügung erfuhr, habe sie sich zum Christentum bekehrt. Das sollte sie noch bereuen! Im letzten…

  • Keine Gerechtigkeit Kein Friede
    Politik

    Die Kollaborateure

    Die amerikanische Zeitschrift The Atlantic, ursprünglich Atlantic Monthly wurde 1857 in Boston als Monatszeitschrift von einer Gruppe von Schriftstellern gegründet, zu denen Ralph Waldo Emerson, Henry Wadsworth Longfellow, Oliver Wendell Holmes sen, und James Russell Lowell gehörten. In den vielen Jahren seit dem ersten Erscheinen brachte die Zeitschrift immer wieder spektakuläre, und wenn nicht das, dann zumindest durchweg kluge und lesenswerte Artikel und Kommentare zur innenpolitischen und globalen Themen, die die aktuell 475.000 Abonnenten zu würdigen wissen. Man kann die Zeitschrift, die heute zehnmal jährlich erscheint, übrigens für ein Jahrespreis unter 30 € als E-Paper für das Kindle abonnieren. Es lohnt sich. Der folgende Essay von Anne Appelbaum, der in…

  • Politik

    Wir müssen uns auf die Möglichkeit vorbereiten, dass Trump die Wahlergebnisse ablehnt

    Der hier verlinkte Zeitungskommentar aus der Washington Post beschreibt, was nach den bisherigen Erfahrungen möglicherweise passieren könnte, wenn Donald Trump im November dieses Jahres seine Wiederwahl verliert. Washington Post vom 14. Mai 2020 https://www.washingtonpost.com/opinions/2020/05/14/we-need-prepare-possibility-trump-rejecting-election-results/ Ich habe ihn hier ins Deutsche übersetzt: Seit 2017 sind so viele Ereignisse in der US-Politik eingetreten, die vorher undenkbar waren. Sie glauben mir nicht? Vor einigen Tagen beschuldigte der Präsident der Vereinigten Staaten grundlos einen Moderator des Kabelfernsehens [Joe Scarboro] des Mordes, und es gab kaum einen Zwischenfall in den Nachrichten. Das Schockierende ist unter der aus den Angeln gehobenen Präsidentschaft von Donald Trump nicht mehr überraschend – fast schon Routine – geworden.

  • Geschichte,  Theologie

    Zur Biographie der hl. Edith Stein

    Anmerkungen zu einigen gängigen Topoi „Edith Stein wuchs in einer sehr religiösen jüdischen Familie in Breslau auf.“ Das finde ich so nicht richtig. Edith Stein wuchs in einer bürgerlichen Familie auf, die schon insofern etwas Besonderes war, als ihr Vater früh verstarb und der Mutter einen Holzhandel und elf Kinder hinterließ, von denen allerdings vier bereits vor der Geburt Ediths verstorben waren. Die Mutter arbeitete von früh bis spät für den Erfolg des Unternehmens, das mehrere Angestellte hatte, und schaffte es so, ihren Kindern ein von finanziellen Sorgen weitgehend freies Leben zu ermöglichen. Edith Steins Mutter verstand sich als konservative deutsche Patriotin, aber mit einer jüdischen Seele, ganz im Sinne…