Der Schiffbrüchige
Imre Kertesz, der ungarische Schriftsteller und einstige KZ- Häftling, erzählt folgende Geschichte:
Der einzige Überlebende eines Schiffsunglücks wird an den Strand einer unbewohnten Insel gespült. Tag für Tag hält er Ausschau nach Rettung. Immer vergeblich. Schließlich baut er für sich und seine wenigen Habseligkeiten eine kleine Hütte aus Holz. Eines Tages aber geht seine Hütte in Flammen auf. Nun hat er endgültig alles verloren.
Er schreit und klagt vor Zorn und Verzweiflung.
Am nächsten Morgen hört er das Geräusch eines Motorbootes. Er springt auf – und tatsächlich, man will ihn retten. »Woher wusstet ihr, dass ich hier bin?«, fragt er glückstaumelnd seine Retter. »Wie haben die Rauchsignale gesehen, die über der brennenden Hütte aufstiegen«, war die Antwort.
Eine merkwürdige Paradoxie ist das! Was den Schiffbrüchigen endgültig umzubringen schien, wurde zum Beginn seiner Rettung. Als er nicht mehr aus und ein wusste und jede Hoffnung verloren hatte, kam die erlösende Hilfe.
„Nah ist
Und schwer zu fassen der Gott.
Wo aber Gefahr ist,
Wächst das Rettende auch.“
So beginnt Friedrich Hölderlins Gedicht Patmos. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass Gottes – oder wie der deutsche „Grieche“ Hölderlin sagen würde: der Götter – Weisheit noch lange nicht verbraucht ist, wenn Menschen mit ihrer Weisheit am Ende sind. Manchmal ist es der Rauch, der über einem Lebensprojekt aufsteigt, der andere Menschen zu Hilfe ruft und Rettung bringt.