Diskussion,  Psychologie

Das Input-Output-Modell von Wahrnehmung und Handlung

Es ist höchste Zeit, das wir uns vom Bild des Geistes als einer Art kognitiver Couch-Kartoffel verabschieden – einer passiven Maschine, die in ihrer freien Zeit nur herumsitzt und darauf wartet, dass ein Input ankommt, um den Tag zu beleben.

Nach dieser Sichtweise wechselt das System, wenn so ein Input eintrifft, kurzzeitig zu einer Aktionsphase, in der der Input verarbeitet und irgendein Output erfolgt (die Antwort, die eine motorische Aktion sein kann oder irgendeine Art von Entscheidung, Kategorisierung oder Beurteilung). Output geliefert – und die kognitive Couch-Kartoffel in Ihrem Kopf sackt in sich zusammen und wartet auf die nächste Stimulation.

In Wahrheit ist es wohl eher das glatte Gegenteil! Natürliche intelligente Systeme (Menschen, andere Tiere) warten nicht passiv auf eine sensorische Stimulation. Stattdessen sind sie ständig aktiv, immer bestrebt, die Ströme der sensorischen Stimulation zu antizipieren, bevor sie ankommen. Wenn ein „Input“ (selbst so ein fragwürdiger Begriff) ankommt, waren unsere proaktiven kognitiven Systeme bereits damit beschäftigt, dessen Ausprägungen und Auswirkungen vorherzusagen. Solche Systeme sind bereits (oder besser: sind ständig) handlungsbereit, und das, was sie verarbeiten müssen, sind alle festgestellten Abweichungen vom prognostizierten Zustand.

Aktion muss also selbst neu definiert werden. Aktion bedeutet weniger eine Antwort auf einen Input („Input-Output-Stop“) als vielmehr eine geschickte und effiziente Auswahl des Folge-„Inputs“ in einem permanent ablaufenden Zyklus. Solche superaktiven Systeme prognostizieren ständig ihre eigenen aufkommenden Zustände und agieren, um einige davon geschehen zu lassen. Auf diese Weise bringen wir die sich entwickelnden Ströme sensorischer Informationen selbst hervor, die uns lebensfähig halten (gefüttert, warm und gewässert) und dienen unseren zunehmend an Bedeutung gewinnenden Zielen.

Als daueraktive Prognosemaschinen sind solche Arten von Verstandestypen weniger mit dem Lösen von Rätseln (in Form von Input) beschäftigt, als vielmehr damit, im Spiel immer einen Schritt voraus zu sein, handlungsbereit, um aktiv die Sinnesströme zu herbeizuführen, die uns lebensfähig und erfüllt halten.

Nahezu jeder Aspekt des passiven Input-Output-Modells ist also falsch. Wir sind eben keine kognitiven Couch-Kartoffeln, sondern aktive Vorhersager, und versuchen fortwährend, den anstürmenden Wellen der sensorischen Stimulation einen Schritt voraus zu sein. Das sollten wir immer im Hinterkopf behalten, weil es uns hilft, bessere Experimente zu entwerfen, bessere Roboter zu bauen, und die innigen Kontinuitäten zu würdigen, die Leben und Geist verbinden.

Verfasser: Andy Clark (Lehrstuhlinhaber für Logik und Metaphysik, University of Edinburgh)
Aus: John Brockman (Hg.), This Idea Must Die. New York et al.: Harper Perennial. 2015. S. 310-311 (Übersetzung von mir)

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