Miscellanea

Ballermann Schmidt und der lange Geduldsfaden

pooh036[1]Die bierernste Kritik an den Fußballkommentatoren der diesjährigen WM mag ja teilen wer will. Recht betrachtet bieten gerade die Fußballkommentare nicht selten kurzweilige Zerstreuung, sofern man sich gelegentlich vom packenden Spielgeschehen zu lösen vermag. Beim gestrigen Match Niederlande gegen Costa Rica war das nicht einfach, denn im Minutentakt gaben sich sozusagen die schiefen Metaphern die Klinke in die Hand, weil der Kommentator Oliver Schmidt eisern an selbiger festhielt.

Dabei gehört er nicht mal zu der Sorte von Besserwissern, die stets genau erkannt haben wollen, wo die Unparteiischen sich wieder mal eine Schlappe geleistet haben. Nein, Schmidt vertraut ganz dem Urteil des Zuschauers, da „hier das Spiel nur eindimensional“ ist – „in der ZDF Mediathek können Sie auch andere Perspektiven sehen.“ Souverän teilt er dem Zuschauer seine Einschätzung mit: „Für die Holländer kann man nur hoffen, dass sie einen langen Geduldsfaden eingepackt haben.“  Überhaupt sei die Stürmer-Riege „quantitativ nicht sehr zahlreich“, weshalb sie nicht vorschnell „die statistischen Hoffnungen haben sollten, dass das in der 2. Halbzeit schon klappen könnte“.

Bald jedoch ein erster Hoffnungsschimmer: „Die mentale Wand hat er überwunden …“ – doch Schmidt bleibt skeptisch:  „Statistisch könnte das ein gutes Omen sein“, wäre da nicht der Trainer der Gegenseite: „Jeder Spieler wird hier permanent verbal bearbeitet!“  Klar, einige müssen sich in Acht nehmen, denn „der eine oder andere läuft hier schon gelb lackiert über den Platz“. Doch „bei dem Pensum, das beide Mannschaften hier abspulen„, kann wirklich alles passieren. Al-les! Vor allem Costa Rica mobilisiert in der Nachspielzeit, so scheint’s, noch die letzten Reserven: „Alle Tugenden, die Costa Rica zu bieten hat, die hamse auch hier reingeworfen!“

Dennoch bleibt das Spiel unausgewogen. Die Zahlen verraten dem Kenner: „Die Statistik ist aber eindimensional – 7:0 Ecken gegen Costa Rica.“ Unter diesen Umständen wagt der Kommentator die Prognose: „Mit Griechenland konnte sich Costa Rica ins Elfmeterschießen retten auf der letzten Rille. Das wird heute nicht klappen!“

Doch will der Skeptiker in ihm nicht verstummen. Schließlich sind sie weit gekommen im Turnier, die „Costa-Ricaner“! „Das, was sie erreicht haben, das kann natürlich auch Berge versetzen!“ Und im Laufe der Nachspielzeit zeigt sich dann auch: „Die gefährlichen Szenen rücken näher!“ Sie robben sich heran. „Und das bei diesem Laufpensum! Sie sind 7 km mehr gelaufen – die Costa-Ricaner – als ihre Gegner.“ So manch einem im gegnerischen Team kommen da Siegeszweifel: „Die Zuversicht, die Robben hier nachgelegt … äh … vorgelegt hat, ist jetzt eine ganz andere Körpersprache geworden.“

Zwar vergeigt Holland so manche Chance: „Hat er schon den Freistoß an den Pfosten, und jetzt küsst er die Latte.“ Doch sollte man als aufgeklärter Gesamteuropäer  da nicht gleich an göttliche Fügung denken.„Die Argentinier würden vielleicht feststellen, dass das Pfosten und Latte Gottes wären, aber soweit geht man in Costa Rica nicht.“  Die Latte Gottes! Aber Hallo! Wenn man live miterlebt, wie die Spieler vom Platz gehen und sich bekreuzigen, dann kommt wirklich nur ein Vollpfosten auf die Idee, irgendjemand in Costa Rica würde sich Gottes Latte vorstellen!

Sie vertrauen lieber auf ihre Abwehrspieler – da kommt niemand vorbei: „Er steht da wie ein Mount Everest – und das seit 120 Minuten!“ Und es war erst der Winkelzug des holländischen Trainers, der sich in der 120. Spielminute unmitelbar vor dem Abpfiff als spielentscheidend für das Elfmeterschießen auswirkte: „Er hat sich nicht in die Karten gucken lassen. Und dann zieht er Tim Krul aus der Jackentasche!“

So schön kann Fußball sein!

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