Papst Leo X. und die „Fabel von Christus“
Eine historische Spurensuche
Ginge man nach Arthur Schopenhauer, so hätte der christliche Klerus sich schon immer seines gläubigen Fußvolkes sicher sein können: „Der Arzt sieht den Menschen in seiner ganzen Schwäche. Der Advokat in seiner ganzen Schlechtigkeit; der Priester in seiner ganzen Dummheit.“ Dazu passt das berühmte und hundertfach kolportierte Zitat des Renaissance-Papstes Leo X. (1513-1521):
„Wieviel die Fabel von Christus Uns und den Unsern genützt hat, ist bekannt.“
Doch auch wenn viele Leute etwas voneinander abschreiben, verbürgt das noch lange nicht die historische Wahrheit einer Aussage. Ist sie echt, und wenn ja, was genau hat denn der damalige Papst überhaupt gemeint? Hier half mir ein Zufallsfund, eine Diskussion im italienische Historiker-Forum Studi sul Cristianesimo Primitivo weiter, dem der folgende Artikel einige nützliche Anregungen verdankt.[1]
Ich weiß nicht, ob Sie den anglikanischen Geistlichen John Bale (1495-1563) kennen. Er gilt als einer der ersten Verfasser von Historiendramen, lange vor Shakespeare. In seinen z.T. deftigen dramatischen Dichtungen griff er vor allem das Papsttum an, aber nicht nur in seinen 19 Theaterstücken. Er schrieb auch Prosa und historische Werke. In seinem Buch Festzug der Päpste (The pageant of popes, 1574) erzählte er, dass Kardinal Pietro Bembo einst in Gegenwart des Papstes eine Stelle aus den Evangelien anführte. Leo habe darauf erwidert:
„Alle Zeitalter können genug bezeugen, wie gewinnbringend diese Fabel von Christus für uns und die Unseren gewesen ist“
(Auf Latein hieß das Zitat: Quantum nobis nostrisque ea de Christo fabula profuerit, satis est omnibus saeculis notum).
In voller Länge klingt es sogar noch entlarvender:
„This Leo was of his owne nature a gentil and quiet person: but often times ruled by those that were cruell and contencious men, whom he suffered to do in many matters according to their insolent will. He ad∣dicting him selfe to nicenesse, and takinge ease did pamper his fleshe in diuerse vanities and carnal pleasures: At ban∣queting he delighted greatly in wine and musike: but had no care of preaching the Gospell, nay was rather a cruell persecutour of those that began then, as Luther and other to reueale the light thereof: for on a time when cardinall Bembus did moue a question out of the Gospell, the Pope gaue him a very contemptuouse aunswere saiyng: All ages can testifie enough howe profitable that fable of Christe hath ben to vs and our companie“.[2]
(„Dieser Leo war von Natur aus ein vornehmer und ruhiger Mensch, wurde aber oft von grausamen und gewissenlosen Menschen beherrscht, die er in vielen Angelegenheiten nach ihrem dreisten Belieben handeln ließ. Er selbst verfiel dem Prunk und vergnügte sein Fleisch mit Eitelkeiten und leiblichen Lustbarkeiten: Bei Festen erfreute er sich sehr am Wein und an der Musik; aber er kümmerte sich nicht um die Verkündigung des Evangeliums, ja er war vielmehr ein grausamer Verfolger derer, die wie Luther und andere begannen, das Licht des Evangeliums zu verkünden; denn als der Kardinal Bembus einmal eine Frage aus dem Evangelium vorbrachte, hat ihm der Papst eine sehr abfällige Antwort gegeben: Alle Zeitalter können zu Genüge bezeugen, wie gewinnbringend diese Fabel von Christus für uns und die Unseren gewesen ist.“)
Auch wenn man bei einigen Historikern lesen kann, dass es sich bei John Bales Pageant of Popes um eine Satire gehandelt haben soll – es stimmt nicht! Denn das Buch war nichts anderes als eine englische Übersetzung seines lateinischen Werks Acta romanorum pontificum, das erstmals 1558 in Basel erschien.[3] Das Original ist also die lateinische, und nicht die englische Fassung, zumal letztere nicht einmal von Bale stammt, sondern von dem englischen Übersetzer John Studley, der, wie es im Titel heißt, noch „sondrye additions“ (verschiedene Ergänzungen) hinzugefügt hatte.[4]
Einmal in die Welt gesetzt, machte diese polemische, antikatholische Geschichte der römischen Päpste die Runde, während Bale selbst in Vergessenheit geriet, bis im 19. Jahrhundert ein skurriler Autor, der britische Reverend Robert Taylor, das Werk von Bale neu las und – man glaubt es kaum! – ins Lateinische übersetzte. Der Exzentriker Taylor, den Charles Darwin einmal „the Devil’s chaplain“ nannte, behauptete u.a., die gesamte Bibel sei von ägyptischen Mönchen im Jahr 250 v. Chr. erfunden und geschrieben worden.[5]
1805 sprach William Roscoe in seinem mehrbändigen Werk The Life and Pontificate of Leo the Tenth von einer „Geschichte, die, wie man mit Recht bemerkt hat, von drei- oder vierhundert verschiedenen Schriftstellern wiederholt worden ist, ohne irgendeine Autorität, außer der des oben genannten Autors.“[6]
Allerdings war das nicht auf seinem Mist gewachsen, denn Roscoe war nicht der erste, der darauf hinwies. Das hatte lange vor ihm schon der französische Frühaufklärer Pierre Bayle getan. Bayle hatte in seinem Dictionaire historique et critique, erschienen Ende des 17. Jahrhunderts (1694-1697), bereits auf den Umstand hingewiesen, dass ausgerechnet ein Zitat im Buch eines erklärten Gegners des Papsttums und der ganzen katholischen Kirche wie Bale das einzige – und damit wertlose – Zeugnis für diesen Ausspruch Leos war:
„Die Überlieferung berichtet, dass er, als er hörte, wie sein Secretarius Bembo etwas aus dem Evangelium erzählte, ihm antwortete: »Man weiß von alters her, wie sehr Uns une den Unseren diese Fabel von Jesus-Christ geholfen hat«, »quantum nobis nostrisque ea de Christo fabula profuerit satis est omnibus seculis notum«. Man findet diese Geschichte im Mystere d’Iniquité[7] und in unzähligen anderen Büchern, immer ohne Zitat, oder nur mit der Autorität von Baleus als Beweis: Daher müssen drei- oder vierhundert Autoren, mehr oder weniger, die das alles untereinander abgeschrieben haben, auf einen einzigen Zeugen reduziert werden, nämlich Baleus, einen Zeugen, der offensichtlich abzulehnen ist, da er im offenen Krieg gegen den Papst und gegen die gesamte römische Kirche schrieb. Es gibt kein Gericht auf der Welt, das die Aussagen eines solchen Zeugen, der schwört, dass er es gesehen oder gehört hat, entgegennimmt; denn sobald er aus dem offenen Krieg, in dem er mit demjenigen, gegen den er aussagt, lebt, hervorgeht, werden die Aussagen des Angeklagten für rechtsgültig erklärt. Da die Streitschriften die Schriftstücke sind, die die Parteien in einem Prozess vorlegen, der vor der Öffentlichkeit ausgetragen wird, ist es sicher, dass sowohl das Zeugnis eines protestantischen Kontroversisten über eine Tatsache, die die Päpste verunglimpft, als auch das Zeugnis eines päpstlichen Kontroversisten über eine Tatsache, die die Reformatoren verunglimpft, nicht in Betracht gezogen werden darf. Der gewählte öffentliche Richter des Prozesses muss alle diese Zeugenaussagen verwerfen und darf ihnen nicht mehr Beachtung schenken als den ungültigen Sachverhalten.“[8]
Pierre Bayle war hinsichtlich der Authentizität also höchst skeptisch. Doch auch er scheint sich geirrt zu haben, denn John Bale mag ein eingeschworener Katholikenhasser gewesen sein, aber so ganz aus dem Ärmel geschüttelt hat er sich das Zitat wohl nun doch nicht. Und so landen wir, wenn wir den Ursprüngen dieser berühmt-berüchtigten Anekdote von Leo X. nachgehen, mitten im Humanismus der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, einer einzigartigen Epoche, in der sich die künstlerische und kulturelle Renaissance mit dem Katholizismus vermischte, die in seinem eigenen politischen Zentrum, dem römischen Papsttum, Unterstützung und Ermutigung fand. Ein Widerspruch in sich – das konnte auf Dauer nicht gut gehen! So löste diese bemerkenswerte Konstellation schließlich eine Gegenbewegung aus: die protestantische Reformation. Und genau dorthin, in das Herz des Protestantismus, zu Melanchthon und sogar zu Luther, gelangen wir, wenn wir den Spuren dieses Zitates folgen. Gerade wenn es um die Authentizität des berühmten Ausspruchs, den Papst Leo X. angeblich gegenüber Pietro Bembo fallen ließ, zu überprüfen, sollte man diesen ganz besonderen historischen Kontext nicht außer Acht lassen.
Leo X. war ein Sohn des berühmten Florentiners Lorenzo de‘ Medici, den man den Prächtigen (»il Magnifico«) nannte. Als zweitgeborener Sohn von Lorenzo il Magnifico wurde Giovanni de‘ Medici, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, bereits mit 13 Jahren Kardinal. 1513 wurde er als Nachfolger von Julius II zum Papst gewählt; und obwohl er bereits 8 Jahre später starb, hat er dennoch über Jahrhunderte für Gesprächsstoff gesorgt. Und da ging es beileibe nicht nur um das apokryphe Zitat über Jesus.
„Er war ein vornehmer Herr, der sich mehr für Politik als für Religion interessierte, mehr römischer Heide als katholischer Christ war, der von seiner olympischen Höhe mit Verachtung auf theologische Streitfragen wie auf Kinderspiele herabsah und nur darauf bedacht war, wie er zwischen den zwei einander befehdenden Staaten oder richtiger Häusern, Habsburg und Valois, ohne Gefährdung der weltlichen Interessen des Papsttums hindurchlavieren könnte.“[9]
Leo, und das ist für unsere Geschichte keineswegs unwichtig, galt lange Zeit als der Inbegriff eines dekadenten und korrupten Papstes der Renaissance. Doch, bevor es dazu kam, hatte er seit seiner Jugend für eine lange Zeit seine Würde und sein Einkommen energisch gegen seinen arroganten und mächtigen erstgeborenen Bruder Piero verteidigen müssen. Der politische Hasardeur Piero verzockte sich allerdings. Als Karl VIII. 1494 alte Rechte auf Neapel mit militärischer Gewalt durchsetzen wollte, wollte sich Leos Bruder nicht auf die Seite des traditionellen Florentiner Verbündeten Frankreich stellen und ergriff statt dessen für Neapel Partei. Das endete in einem Desaster. Die Gegner der Medici sorgten im November 1494 für deren Sturz und Verbannung. Mit 18 Jahren begann für Giovanni und seine Familie ein noch einmal 18 Jahre währendes Exil, das ihn nachhaltig prägen sollte. Als Spross einer mächtigen Finanzdynastie war er aus Florenz vertrieben worden, als deren ungleich mächtigeres Oberhaupt kehrte er aber nach Jahren des Exils zurück. Schon damals ein kranker Mann, der übel aus einer Fistel am After roch, übergewichtig und halb blind, sodass ihm selbst enge Freunde der Medici und Kurienkenner kaum Chancen auf ein höheres Amt eingeräumt hatten. Dennoch wurde er kaum mehr als ein halbes Jahr nach seiner Rückkehr in der Nacht vom 9. auf den 10. März 1513 mit nur 37 Jahren zum Papst gewählt.
Berüchtigt war der unter seinem Pontifikat blühende Ämterhandel und die Vetternwirtschaft, womit der Medici-Clan zugleich seine Machtbasis festigte. Unter Papst Leo X. hatte die römisch-katholische Kirche damit begonnen, Ablässe im ganz großen Stil zu verkaufen. Sogar für Tote wurden Ablässe angeboten, um auch sie von allen Sünden zu befreien und ihren Aufstieg in den Himmel zu beschleunigen. Auch wenn Leo X. die Gefahren möglicher Widerstände gegen seine Amtsführung durchaus wahrnahm, unterschätzte er doch völlig, welche Dynamik dadurch entstehen würde. Denn er brachte nicht nur weite Teile der Priesterschaft, allen voran den Reformator Martin Luther, gegen das römische Pontifikat auf, sondern auch Teile des Adels und natürlich der breiten Bevölkerung. Sie alle stemmten sich immer stärker gegen das selbstherrliche Gebaren der römischen Kirche. Zwar soll der Pontifex geäußert haben:
„Erasmus schadete uns mehr durch seinen Witz als Luther durch seinen Zorn.“
Doch Leo X. mag juristisch und kirchenrechtlich versiert gewesen sein, für theologische Fragen galt das jedoch nicht. Deshalb maß er Luther aufgrund seiner eigenen Denkhaltung und seiner geopolitischen Prioritäten nicht die Bedeutung zu, die den Interessen der von ihm geführten katholischen Kirche angemessen gewesen wäre. Ganz offenkundig unterschätzte der Papst die Sprengkraft, die in der Kritik Luthers lag. Er hielt ihn sogar für geistreich, doch die reformatorischen Bestrebungen waren für ihn letztlich nur ein Gezänk unter Mönchen. Dass damit etwa eine Bedrohung der Fundamente der katholischen Kirche verbunden sein könnte, kam ihm nicht in den Sinn. Es passte einfach nicht in seine Gedankenwelt, die um die Macht seiner Familie kreiste, aber auch alle Spielarten der Renaissance-Kultur umfasste, den hochgezüchteten Genuss, die humanistische Literatur, die Musik, die Pflege sonstiger hochgebildeter Vergnügungen. Warnungen aus seinem Umfeld ignorierte er viel zu lang, da ihm wegen seiner dynastischen Interessen weniger an seinen Pflichten als Oberhaupt der katholischen Kirche lag, als daran, sich mit geradezu obsessiver Energie darauf zu konzentrieren, die Kaiserkrönung Karls von Habsburg zu verhindern. Das ging aber nur, indem er Luthers Landesherrn und Beschützer stärkte und damit den Reformatoren Freiraum verschaffte.
Und dann ernannte das Bistum Meißen 1516 ausgerechnet den schon seit Jahren aktiven dominikanischen Ablassprediger Johann Tetzel zum Subkommissar beim Ablasshandel für den Bau der Peterskirche in Rom, der nach der Bulle Leos erst so richtig loslegte und überall seine »Tetzel-Kästen« aufstellen ließ: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.“ Was folgte, ist bekannt: Luther stilisierte diesen geschäftstüchtigen Scharlatan zum Sinnbild des Bösen. Doch sogar nach dem Thesenanschlag Luthers in Wittenberg im Herbst 1517 dominierten bei Leo X. die geopolitischen Bestrebungen – theologische Implikationen gerieten so aus dem Blickfeld, und die finanziellen tangierten ihn zwar als Papst, nicht jedoch als Herrscher über ein westeuropäisches Bankenimperium. Das hatte zur Folge, dass aus politischen Erwägungen die Klage, die der dominikanische Großinquisitor Anfang 1518 gegen den „Häretiker“ Luther und seine Ablassthesen in Rom eingereicht hatte, für gut zwei Jahre auf Eis gelegt und erst auf Druck von außen im März 1520 weiterverfolgt wurde. Da war es aber schon zu spät und es gelang dem Vatikan nicht mehr, die rebellischen Reformatoren in den Griff zu bekommen.
Doch zurück zu Bale! Er erwähnte die Geschichte von Bembo und Leo X. übrigens mehrmals. Zum ersten Mal in seinem Werk Scriptorum illustrium maioris Brytanniae, allerdings erst in einer späteren Ausgabe, die im September 1557 in Basel erschien. Ein Jahr danach veröffentlichte er alles, was er in diesem Werk über das Leben der Päpste gesammelt hatte, in einem weiteren Buch, den Acta romanorum pontificum. In jedem der Bücher finden wir die Anekdote, die wie folgt wiedergegeben wird:
„Proponenti enim semel Cardinali Bembo quiddam ex laeto illo Dei nuncio, dissolute respondebat: quantum nobis ac nostro coetui profuerit ea de Christo fabula, satis est seculis omnibus notum. Sceleratissimus nebulo propalam expressit, se antichristum illum esse quem Paulus peccati hominem ac perditionis filium vocat. “[10]
(Als Kardinal Bembo einmal etwas aus der Frohen Botschaft Gottes verkündete, antwortete er (Leo X.) liederlich: „Man weiß seit Jahrhunderten, wie vorteilhaft diese Fabel von Christus für uns und die Unseren gewesen ist.“ Dieser übelste Schurke gibt sich offen als der Antichrist zu erkennen, den Paulus einen Menschen der Sünde und den Sohn des Verderbens nennt.)
In beiden Fällen spricht Bale vom Kardinal Bembo, und das ließ manche seiner Leser in der Folge annehmen, dass die Anekdote unglaubwürdig sei und von Bale nur erfunden worden war, um die katholische Kirche zu verleumden. Denn der Humanist Pietro Bembo (1470-1547) war damals noch gar kein Kardinal, sondern diente fast während der gesamten Amtszeit von Papst Leo X. als dessen Sekretär. Den Kardinalstitel verlieh ihm nämlich erst 1539 ein Nachfolger Leos, Alessandro Farnese, der 1534 als Paul III. Papst wurde und dem wir u.a. die Heilige Inquisition verdanken. Was Pierre Bayle im 17. Jahrhundert schrieb, hat an Aktualität anscheinend nichts eingebüßt und deckt sich mit der heute allgemein akzeptierten Ansicht, dass es sich um ein apokryphes Zitat handelt, das auf den englischen Theologen John Bale zurückgeht.
Was könnte Bale also dazu veranlasst haben, Pietro Bembo als Kardinal zu bezeichnen? Kannte er möglicherweise diese Anekdote vor 1539 überhaupt nicht? Vielleicht kommen wir der Sache näher, wenn wir uns vergegenwärtigen, wo Bale während und nach dieser Zeit lebte – nämlich nicht in England! Denn dort ging es dem ehemaligen Karmeliter nur solange gut, wie Thomas Cromwell, der Earl of Essex, die Staatsgeschäfte Heinrich VIII. leitete.[11] Als er in Ungnade fiel und 1540 hingerichtet wurde, flohen seine Anhänger, so auch Bale, aus dem Land. Bale ging nach Flandern und kehrte für ein kurzes Intermezzo von nur vier Jahren 1548 nach der Thronbesteigung Edwards VI. zurück, wurde für ein Jahr Bischof in Irland, musste aber nach dem frühen Tod Edwards 1553 und der Inthronisation der katholischen Maria Stuart erneut fliehen, diesmal in die Schweiz, vor allem aber nach Deutschland.
Obwohl er nachweislich auch einige Schweizer Städte besucht hat – gewohnt hat Bale von 1543 bis 1545 wahrscheinlich in norddeutschen Städten. Bei Reisen nach Süddeutschland kam er in direkten Kontakt mit Vertretern der Reformation. Sogar Luther selbst war noch am Leben, als Bale auf dem Kontinent ankam.
Bale war zwischen 1540 und 1547 (hauptsächlich) in Deutschland, also zu einer Zeit, als Bembo bereits Kardinal war. Doch in diesem Zusammenhang ist viel wichtiger: Bale pflegte persönliche Kontakte zu den berühmtesten Reformern seiner Zeit, darunter Philipp Melanchthon (1497-1560), der Schweizer Conrad Gessner und andere, und hat mit diesen auch noch nach seiner Rückkehr in die Heimat korrespondiert. Melanchthon galt damals als „der gelehrteste Mann in Deutschland und an anderen Orten, der auch sonst nur wenige seinesgleichen hatte“.[12] In der Vorrede zu seinen Acta Romanorum Pontificum dankt John Bale sogar ausdrücklich Melanchthon für seine Gastfreundschaft, die er ihm während seines Exils in Wittenberg gewährt hatte.
Aber es gibt noch mehr! Zwischen 1543 und 1545 war noch ein anderer Humanist zusammen mit Melanchthon in Wittenberg, der große ungarische Reformator István Szegedi Kis (1515-1572), genannt Szegedinus. Auch Kis hat über die römischen Päpste geschrieben, das Speculum Pontificum Romanorum, ein Werk, das sich kaum von dem Bales unterscheidet, und das nach seinem Tod 1584 in Basel veröffentlicht wurde. Und auch in diesem Werk finden wir unter der Rubrik Leo X. blasphemus die Anekdote von Bembo und Leo X., und sogar fast in denselben Worten wie bei Bale:
Proponenti semel Cardinali Bembo quiddam ex laeto illo Dei nuncio, dissolute respondebat: quantum nobis ac nostro coetui profuerit ea de Christo fabula, satis est seculis omnibus notum. Hic sceleratissimus nebulo palam hac voce expressit, se Antichristum illum esse quem Paulus Peccati hominem ac perditionis Filium vocat. Hic nec coelum, nec inferos post hanc vitam esse credebat.[13]
(Als Kardinal Bembo einmal etwas aus der Frohen Botschaft Gottes verkündete, antwortete er liederlich: „Man weiß seit Jahrhunderten, wie vorteilhaft diese Fabel von Christus für uns und die Unseren gewesen ist.“ Dieser übelste Schurke hat durch seine Wortwahl offen zum Ausdruck gebracht, dass er der Antichrist ist, den Paulus einen Menschen der Sünde und den Sohn des Verderbens nennt. Er glaubte, dass es nach diesem Leben weder Himmel noch Hölle gibt.)
Halten wir also fest: Die beiden einzigen Autoren, die diese Anekdote über Papst Leo X. schon früh erwähnen, ein Engländer und ein Ungar, haben vor allem eines gemeinsam – beide stehen im selben Zeitraum in Kontakt mit Philipp Melanchthon in Wittenberg. Diese Koinzidenz ist zu bedeutsam, als dass sie einfach ignorieren könnte. Reizvoll wäre es schon, in Melanchthon, dem berühmtesten Schüler Luthers, den Urheber dieser Anekdote über die »Christusfabel« zu finden. Allein, weder in seinen zahlreichen Werken noch in seinen Briefen gibt es auch nur einzigen direkten Hinweis auf diese Geschichte.
Es gibt allerdings einen versteckten Hinweis, und zwar in einer Handschrift des Melanchthon-Schülers Ulricus Vendenhaimer, die sich heute in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel befindet. Vendenheimer hatte sie 1557 verfasst und berichtet darin über Aussprüche und öffentliche Reden Melanchthons.[14] Er zitiert Melanchthon mit den Worten:
Papa quondam dixit ad Bembum: O Bembe, nescis, quanta illa fabula de Christo nobis profuerit?
(Der Papst sagte einmal zu Bembo: O Bembo, weißt du nicht, wie sehr uns diese Fabel von Christus genutzt hat?)
Der Name des Papstes wird nicht genannt. Vendenhaimers Aufzeichnungen wären somit nur ein Indiz, dass sowohl Bale als auch Szegedinus diese Episode mit Leo X. von Melanchthon erfahren haben könnten – mehr aber auch nicht! Zum einen sprechen beide von Kardinal Bembo, zum anderen schmücken sie die Anekdote aus, scheinen also aus derselben Quelle zu schöpfen, ohne freilich Melanchthon selbst zu erwähnen. Nun waren die Humanisten jener Tage stets auch schwatzhafte Elstern, und nicht nur theologische und politische Dispute wurden europaweit im Englisch der frühen Neuzeit, dem Lateinischen, ausgefochten – egal ob in Buch-, Pamphlet- oder Briefform -, sondern auch für Gerüchte und Tratsch fand sich in der Gelehrtenwelt stets ein offenes Ohr.
Für jeden, der den mit Erasmus seit 1508 befreundeten, hochgelehrten Humanistenpapst und Mäzen, wenn auch nicht gerade wohlgelittenen Katholiken Leo X. kannte, schien es offensichtlich gewesen zu sein, worauf der Papst mit diesem Satz anspielte. Auf etwas, das mit der frohen Botschaft nichts zu tun hatte: den Ablasshandel. Den hatte der Medici-Papst übrigens keineswegs erfunden. Zwar wurden seit 1507 bekanntermaßen große finanzielle Mittel über Ablassbriefe eingesammelt. Doch dieses Verfahren war weder neu, noch war es auf den Petersdom, ja, nicht einmal auf Bauten in Italien beschränkt. Schon Sixtus IV., der Onkel von Julius II., hatte durch einen 1479 ausgestellten Ablassbrief die Fertigstellung des Chorneubaus des Freiburger Münsters gefördert, und Julius selbst gewährte 1512 außer für den Petersdom auch für den Weiterbau der Turmwestfassade des Konstanzer Münsters einen Ablass. Nicht nur der Kirchenbau wurde auf diese Weise finanziert, auch Hospize, Hospitäler, Brücken, Waisenhäuser, in den Niederlanden sogar der wichtige Deichbau und sogar die Abwehr der Türkenbedrohung.[15]
Die päpstliche Bulle allerdings, die Leo X. am 14. September 1517 verkündete, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und den Weg für die protestantische Reformation ebnete. Denn diese Bulle hatte es in sich![16]
Für Leo ging es darum, Geld aufzutreiben, um den Luxus seines Hofes zu finanzieren, um einer seiner Schwestern, der Frau von Franceschetto Cibo, einem unehelichen Sohn von Papst Innozenz VIII., ein Geschenk zu machen und natürlich auch die enormen Kosten zu decken, die der von Julius II. begonnene Bau des Petersdoms verursachte. Aber Leo X. tat es dem Kaiser von Österreich gleich, der aus Geldnot eine übergroße Menge an Ablasspapieren in Umlauf brachte und damit auch das, was vorher da war, in Verruf brachte. Denn was dieser Renaissance-Papst zahlungskräftigen Gläubigen anbot, glich schon einer Vollkaskoversicherung gegen die allgemein als real empfundenen drohenden Qualen des Fegefeuers, die auch noch nach Einkommen gestaffelt war.
Die Präambeln mit dem üblichen Tu et Petrus et super hanc petram etc. wurden weggelassen. Leo X. verkündet in seiner Bulle, dass er Geld benötige, um den Bau der Peterskirche zu vollenden. Die ganze christliche Welt solle zur Errichtung dieses Denkmals für den Apostelfürsten beitragen. Daher halte man es für angebracht, Bruder Cristoforo Numai, Kardinalpriester von Santa Maria in Aracoeli und General der Franziskaner, die Befugnis zu übertragen, Ablässe an die Gläubigen zu verteilen und das Geld zu sammeln, und durch ihn alle Franziskaner, die in den zwanzig Provinzen, in die Europa aufgeteilt war, verteilt waren.
Infolgedessen gewährte der Papst dem besagten Kardinal und den von ihm Beauftragten in Italien, Frankreich, Deutschland, Spanien usw. die Befugnis, durch spontane Almosen oder durch je nach Fall zu bestimmende Preise Ablässe für Lebende und Tote, Absolution und Vergebung aller Sünden zu gewähren, insbesondere für alle Verbrechen der Simonie, für freiwillige Tötung, sofern es sich um einen geheimen Mord handelt, mit der Befugnis, den Mörder von den kanonischen Vergehen zu reinigen und zu befreien, die er begangen hätte, wenn er nach geistlichen Orden oder kirchlichen Leistungen strebte.
Gegen Geldzahlungen gibt es die volle Absolution für Wucherer, Diebe, Betrüger und alle, die sich durch unerlaubte Mittel bereichert oder das Eigentum anderer an sich gerissen haben, auch wenn es sich um fromme Güter oder um Güter handelt, die zur Ausstattung armer Mädchen oder zur Feier der Messe oder des Gottesdienstes bestimmt sind. Es wird empfohlen, eine ungefähre Schätzung dieser betrügerischen Werte vorzunehmen, um dem Pönitenten einen entsprechenden finanziellen Beitrag aufzuerlegen. Gegen entsprechende Zahlung verspricht die Bulle Dispens zur Beförderung zu den heiligen Weihen oder zur Verbindung mit kirchlichen Würden oder Pfründen für diejenigen, die noch nicht das von den Kanonikern geforderte Alter erreicht hatten, so dass sogar ein Kind zum Bischof befördert werden konnte, wie es bereits mehrfach geschehen war; Dispens für Ehen in den verbotenen Graden; Dispens und Absolution für diejenigen, die sich der Unzucht oder sogar des Inzests schuldig gemacht haben, sofern dies nicht in aller Öffentlichkeit geschehen war und einen Skandal ausgelöst hatte. Es gibt die Möglichkeit für all jene, die sich in den Besitz von Kirchen- oder Klostereigentum gebracht haben, eine Entschädigungszahlung in Form einer zu vereinbarenden Summe zu leisten und so eine vollständige Absolution zu erlangen. Gegen Zahlung erwirbt man die Befugnis, Verträge zu brechen, Eide aufzulösen, vom Meineid freizusprechen. Man erhält die Befugnis, Verstorbene ohne Beichte zu begraben, auch wenn sie lange Zeit nicht an den Sakramenten teilgenommen haben, und es genügt, wenn jemand bezeugt, dass der Verstorbene vor seinem Tod ein Zeichen der Reue gegeben hat; die Befugnis, von Exkommunikationen und von vorbehaltenen Fällen freizusprechen und die Messe und die göttlichen Ämter zu einer Zeit und an einem Ort zu feiern, die dem Verbot unterliegen, außer jedoch am Ostertag. Es gab sogar Ausnahmen für schwere Sünden, von denen man sich nicht freikaufen konnte: ein Angriff auf die Person des Papstes zum Beispiel, die Ermordung von Bischöfen und anderen Prälaten sowie die Verfälschung von Bullen und Breven (päpstliche Sendschreiben). Der Heilige Stuhl hatte wirklich an alles gedacht! [17]
Und das war nur eine gedrängte und keineswegs erschöpfende Zusammenfassung! Melanchthons Anekdote scheint also eindeutig auf diese Inflationierung des Ablasshandels abzuzielen.[18] Aber was ist mit dem Satz, der unmittelbar vor der Passage steht, in der Bembo das Evangelium zitieren will? Bezieht sich dieser Satz, der vielleicht von Bale oder Szegedinus aus dem Gedächtnis zitiert wurde, auf etwas anderes? Möglicherweise hilft uns eine Passage aus einem anderen Buch jener Zeit, den ursprünglichen Text von Melanchthons Anekdote zu rekonstruieren. Bei dem calvinistischen Theologen Sidbrand Lubbert (1555-1625) lesen wir:
Idem Papa prosternit se quidem ante imaginem Christi, sed omnem doctrinam de Christho habet pro fabula. Leo decimus cum admiraretur pecuniam ex indulgentiis collectam, dixit ad Bembum, O Bembe, quantum nobis profuit fabula de Christo. Idem, cum Bembo aliquem locum ex novo testamento ad eum consolandum, dixit, Apage istas nugas de Christo
(Derselbe Papst wirft sich vor dem Bild Christi nieder, hält aber alle Lehren Christi für eine Fabel. Während Leo X. das durch die Ablässe gesammelte Geld bewunderte, sagte er zu Bembo: Oh Bembo, wie sehr hat uns diese Fabel von Christus geholfen. Als Bembo einen Abschnitt aus dem Neuen Testament zu seinem Trost anführen wollte, sagte er: „Nerv mich nicht mit diesem Unsinn über Christus!“)[19]
So wird ein Schuh draus! Denn die logische Abfolge ist in dieser Wiedergabe der Anekdote viel kohärenter als bei Szegedinus und Bale. Als sich Bembo auf eine Stelle im Neuen Testament bezieht, um Leo X. zu bestärken, antwortet der nicht mit der „fabula de Christo“, sondern mit dem nicht minder drastischen, aber viel logischeren Ausspruch „Apage istas nugas de Christo“.
Nicht ganz so heftig, aber auch nur auf die monetäre Seite fixiert, überliefert der Lutheraner Johannes Gerhard Leos Ausspruch:
Leo X, sub cuius Pontificatu reformationis pus coepit, ingentem quendam pecuniarum thesaurum Cardinali Bembo ostendens dixit: Vide, quantum nobis profuerit fabula de Christo!
(Leo X., unter dessen Pontifikat die Reformation begann, zeigte Kardinal Bembo eine Truhe mit Geld und sagte: Siehst Du, welch großen Nutzen uns die Fabel von Christus eingebracht hat!)[20]
In einer späteren Veröffentlichung schließt sich Gerhard dann aber der üblichen Version an:
Baleus de eo refert, quod evangelium appelarit fabula de Christo, quandoquidem Bembo Cardinali secetario suo aliquid ex Evangelio praeferenti regesferit: Quantum nobis nostrisque ea de Christo fabula profuerit, satis est omnibus saeculis notum.[21]
(Bale erzählt von ihm, dass er das Evangelium eine Fabel über Christus nannte, da er Kardinal Bembo, seinem Sekretär, etwas aus dem herausragenden Evangelium erzählte: Alle Zeitalter können genug bezeugen, wie gewinnbringend diese Fabel von Christus für uns und die Unseren gewesen ist.)
Gefolgt allerdings von dem Nachsatz: Idem repetit Ivellus Defens Apol. p. 273 (Dasselbe wiederholt Jewel, Defens. Apolog. P. 273)
Dem ist aber nicht so! Denn der hier als Zeuge angeführte Theologe John Jewel hat sich sowohl in der lateinischen als auch in der hier erwähnten englischen Fassung seines Buches Defense of the Apologie of the Churche of Englande überhaupt nicht auf einen bestimmten Papst festgelegt. In seiner Auseinandersetzung mit den Glaubensvorstellungen des katholischen „Häretikers“ Thomas Harding hatte er nur davon gesprochen, „that one of your late Popes there as it is reported, taught his Cardinals: O, quantum nobis profuit illa Fabula de Christo.“[22]
Auch wenn Melanchthon und nicht Bale die Anekdote über Leo X. überliefert hätte, würde dadurch das Problem der Ursprungsquelle letztendlich nur verschoben. Denn wenn wir nicht einfach davon ausgehen wollen, dass er das Zitat bloß erfunden hat, wie kann Melanchthon davon erfahren haben?
Diese Frage bringt uns zurück zu den Protagonisten der Anekdote, nämlich Leo X. und Pietro Bembo. Letzterer war sicherlich die einzige Person, die von dieser Geschichte Kenntnis haben konnte. Doch wie war Bembos Haltung gegenüber Papst Leo X.? Zuallererst war der Humanist Bembo ein Günstling Leos, der seine besten Jahre inmitten des höfischen Prunks verbracht hatte, und er hatte während des Pontifikats von Papst Leo X. einen nicht unerheblichen Anteil an dem, was zu Recht als das rauschende Bacchanal der Künste und des weltlichen Geistes bezeichnet wurde. Er war schließlich alles andere als ein Gegner des Papstes, sondern eine seiner Stützen.
Bembo war ein humanistischer Gelehrter, bevor er in den kirchlichen Dienst trat, und mit dem Geist eines Humanisten betrachtete er das Pontifikat von Leo X., mit dem er, glaubt man einigen Anekdoten, die über ihn kursierten, etwas mehr als die sogenannten »heidnischen« Tendenzen teilte. Nachdem er nach langen und nervenaufreibenden Manövern Kardinal geworden war (viele wollten ihn nicht in der Kurie haben, so sehr, dass jemand dem Papst zuflüsterte: „Heiliger Vater, wir brauchen keine Männer, die Sonette schreiben können“[23], wurde Bembo wegen seiner zahlreichen und bisweilen unorthodoxen Freundschaften auf nationaler und internationaler Ebene gelegentlich der Ketzerei und des »Heidentums« verdächtigt. Darüber hinaus kamen einige seiner arglosen Vergleiche zwischen Jupiter und Gott oder zwischen den Heiligen und heidnischen Göttern in gewissen strenggläubigen katholischen Kreisen äußerst schlecht an. Da Pietro Bembo im wahrsten Sinne des Wortes von der klassischen Kultur durchdrungen war, mögen ihm gewisse »Symmetrien« oder Vergleiche vielleicht ganz natürlich und ohne blasphemische Absichten eingefallen sein. Aber seine Gegner haben ihm kaum etwas verziehen. Und auch von ihm gibt es einen Ausspruch, der in Europa die Runde machte und von Freunden und Gegnern gleichermaßen zitiert wurde.
In den Notae in Jacobi Gaffarelli Curiositates des Hamburger Pastors Gregorius Michael lesen wir, dass Bembo, als er erfuhr, dass sein Freund Jacopo Sadoleto, ebenfalls Sekretär im Dienste Leos, einen Kommentar zum Römerbrief schreiben wollte, zu ihm gesagt haben soll:
„Omitte has nugas; non enim decent gravem virum tales ineptiae“ (Vergiss diesen Unsinn; er passt nicht zu einem ernsthaften Menschen).[24]
Bembos Wortwahl „nugas“ erinnert verdächtig an die Formulierung „nugas de Christo“ von Leo X. in der von Lubbert erzählten Anekdote. Dabei ging es ihm anscheinend weniger um die christliche Lehre des Apostels. Der künftige Kardinal war ohnehin an religiösen Fragen nicht sonderlich interessiert. Ein an Petrarcas Dichtkunst und der lateinischen Klassik orientierter Sprachpurist und glänzender Stilist wie Bembo hielt es wohl eher für vertane Zeit, sich mit der dürftigen Prosa eines Paulus zu beschäftigen.
Und hier sind wir wieder in der Gelehrtenrepublik jener Zeit, die auch vor den konfessionellen Grenzen nicht Halt machte. Da Bembo keinen direkten Austausch mit Melanchthon pflegte, hätte diese Anekdote nur den Weg zu diesem gefunden über einen Dritten, der wiederum mit Bembo literarisch, oder auch persönlich vernetzt und zugleich religiös auf der anderen Seite stand – mit einem protestantischen Humanisten, der ebenfalls mit Philipp Melanchthon verbunden war.
Und diesen gemeinsamen Bekannten gab es tatsächlich: Georg Sabinus!
Der deutsche Diplomat Georg Schuler (1508-1560), bekannt unter seinem Dichtername Sabinus, Poeta laureatus, hatte in Wittenberg bei Luther und Melanchthon studiert. Er galt als einer der begabtesten und produktivsten humanistischen Dichter Deutschlands und erfreute sich bei Melanchthon der höchsten Wertschätzung. Auf einer Studienreise 1533/34 nach Italien machte er dank einer schriftlichen Empfehlung Melanchthons einflussreiche Bekanntschaften, denen er auch den Titel »päpstlicher Pfalzgraf« verdankte. Vor allem mit Pietro Bembo verband ihn eine jahrelange enge Freundschaft. Er widmete ihm sogar zahlreiche Carmina. Bembo wiederum schätzte Sabinus für sein geschliffenes Latein, aber auch für die Rolle, die er bei dem Versuch spielte, die christliche Welt bis zum Reichstag von Regensburg zu reformieren, wie seine Briefe von 1533 bis 1545 belegen. Deshalb ist es leicht vorstellbar, dass Sabinus von Bembo aus erster Hand die zahlreichen Anekdoten erfuhr, die über den Papst kursierten, darunter auch den Ausspruch über die Fabel von Christus. 1536 heiratete Sabinus Melanchthons Tochter Anna. Doch das Eheglück war nur von kurzer Dauer. Anna verstarb wenige Jahre später.
Die Freundschaft zwischen den beiden Männern blieb auch nach Annas frühem Tod im Jahr 1545 bestehen. So spricht einiges dafür, dass Bembos Anekdoten auch dem Schwiegervater von Sabinus, Melanchthon, zu Ohren kamen. Sabinus konnte zweifellos auf Melanchthons Diskretion zählen, was auch erklären würde, wieso die Anekdoten erst nach Bembos Tod im Jahr 1547 in Umlauf kamen, so dass irgendwann auch Luther von der Geschichte erfuhr, wie Szegedinus in seinem bereits zitierten Buch berichtet.
Dass es sich so zugetragen hat, dass es letztlich Sabinus war, der diese und andere Episoden aus dem Leben des Venetianers Bembo in der Gelehrtenwelt »durchsickern« ließ, ist nicht nur aus heutiger Sicht äußerst wahrscheinlich. Es geriet einfach über die Jahrhunderte schlicht in Vergessenheit. Denn bereits im 16. und 17. Jahrhundert pfiffen es die gelehrten Spatzen von den Dächern, und in der zeitgenössischen Literatur jener Jahre finden sich zahlreiche Hinweise, die dies bestätigen. Das gilt auch für eine weitere Anekdote, die uns von Pierre Bayle überliefert wurde, der sie wiederum bei Melchior Adam gelesen hatte[25], und in der es diesmal um Sabinus und Bembo geht. In dieser Geschichte lesen wir, dass Melanchthon Sabinus mit einem Vorstellungsbrief zu Bembo schickte und der venezianische Humanist Sabinus zu einem Bankett in sein Haus einlud:
„Der Cardinal Bembus erkundigte sich nach drey Umständen, die angemerket zu werden verdienen. Melanchthon schrieb an ihn, um ihm den Georg Sabin zu empfehlen, der Italien besehen wollte. (…) Der Cardinal sah stark auf dieses Empfehlungsschreiben. Er bezeigte dem Sabinus viel Höflichkeit, und behielt ihn zur Tafel. Er fragte ihn während der Mahlzeit unterschiedene Sachen, und besonders diese drey Stücke: Was hat Melanchthon für Besoldung? Wie stark ist die Zahl seiner Zuhörer? Was heget er für eine Meynung von dem zukünftigen Leben, und von der Auferstehung? Sabin antwortete auf die erste Frage, daß sich Melanchthons Besoldung, jährlich nicht höher, als 300 Gulden beliefe. O wie undankbar ist Deutschland, rief der Cardinal, das für einen so geringen Lohn, so viel Arbeiten von einem so großen Manne erkauft! Die Antwort auf die andere Frage war, daß Melanchthon ordentlich 2500 Zuhörer hätte. Ich kann es nicht glauben, antwortete der Cardinal: ich weis keine Akademie in ganz Europa, außer der zu Paris, wo der Hörsaal eines Professors so zahlreich wäre. Nichts destoweniger hat Melanchthon oft 2500 Personen in seinen Vorlesungen gehabt. Auf die dritte Frage antwortete man, daß Melanchthons Schriften seinen Glauben von diesen zween Artikeln, zur Genüge zeigten. So! versetzte der Cardinal, Ich würde mehr von ihm halten, wenn er dieses nicht glaubte, Haberem virum prudentiorem, si hoc non crederet. (ebenda) Ich erzähle diese kleine Historie, wie ich sie in dem Melchior Adam gefunden habe.“[26]
Wer sonst, wenn nicht Sabinus, könnte diese und andere Geschichten verbreitet haben?
Johannes Gerhard, der dieselbe Szene und zuvor die Feststellung Leos über die Fabula de Christo gegenüber Bembo zitiert, überliefert den Ausruf Bembos so: „Haberem Phillipum virum prudentiorem, si hoc non crederet.“ Aber auch er lässt hat keinen Zweifel daran, dass Sabinus die Quelle der Zitate war.[27]
Wenn es sich denn tatsächlich so zugetragen hat!
Denn der Lutheraner Georg Major beispielsweise schrieb 1564 diese Szene mit Bembo nicht etwa Leo X., sondern Papst Paul III. zu.[28] Unter diesen Umständen würde freilich auch die Bezeichnung Pietro Bembos als Kardinal zutreffen, hatte ihn doch Paul III. erst in den Kardinalsrang erhoben. Bei Major heißt es:
„(…) sicuti Paulus Tertius Pontifex Romanus ad Bembum Cancellarium, cum dolo, fraude & hypocrisi evectus esset ad culmen Pontificium, dixisse fertur: Quantum nobis, Bembe, fabula de Christo profuit?“
(„… zum Beispiel soll der römische Papst Paul III., durch Täuschung, Betrug und Heuchelei ins höchste Amt des Papstes gelangt, zu Kuriensekretär Bembo gesagt haben: Wie sehr hat uns diese Fabel von Christus genützt, Bembo?“)
Zu Alessandro Farnese alias Paul III., von dem wir noch ganz andere Sprüche kennen, hätte ein solches Statement perfekt gepasst, denn seine Skepsis machte auch vor den Grundüberzeugungen der römisch-katholischen Kirche nicht halt.
Und Georg Major war nicht der einzige, der das Zitat Paul III. zuschrieb! Das tat auch der protestantische Theologieprofessor Johann Lampadius (1569-1621) von der Universität Heidelberg 1610 in Bd. 3 seines Melleficium Historicum:
Paulus III. antea Alexander Farnesius dictus, (..) Bembo Cardinali saepius dicere solebat: O Bembe, Bembe, quantum nobis profuit fabule de Christo.“ [29]
(Paul III., zuvor Alexander Farnese genannt, (..) pflegte öfter zu Kardinal Bembo zu sagen: O Bembo, Bembo, wie sehr hat uns diese Fabel von Christus geholfen!)
Ähnliches lesen wir 1584 im Trostspiegel des Lutheraners und Reformators Christoph Irenäus (1522–1595) unter der Rubrik „Bapst Paulus 3“:
„Idem fertur dixisse. O Bembe, Bembe, fabula de Christo multum nobis profuit. Das ist/Eben derselbe Bapst Paulus sol einmal herausgefaren sein/und gesaget/O Bembe/mein lieber trauter Bembe/die fabel oder das gedicht von Christo/hat uns sehr viel gelts getragen.“[30]
Bot sich Leo X. als Blaupause vielleicht nur an, weil der Kampf gegen den Ablasshandel in der Öffentlichkeit als eine zentrale Argumentationsfigur der Reformation diente?
Der Papst Leo X. zugeschriebene berühmte Ausspruch über die Fabel Christi war zuallererst Munition im Glaubenskrieg jener Jahre, ein keineswegs unwichtiges Rädchen im Getriebe der religiösen Kontroversen, deren zentraler Punkt das Missverständnis war, zu dem dieses Zitat zwangsläufig führen musste – nicht unwesentlich in einer Zeit, in der Verbannung, Folter und andere Unannehmlichkeiten mitunter der Preis waren, den diejenigen zu zahlen hatten, die sich allzu freimütig über das Christentum äußerten, sofern sie nicht im Schutz mächtiger Gönner standen.
Ihren Höhepunkt erreichte die Polemik in den Jahren unmittelbar nach dem Tod von Leo X. und der Protagonist war ausgerechnet der größte Humanist des 16. Jahrhunderts: Erasmus von Rotterdam. Erasmus‘ Ansichten zu Leo und seiner Amtsführung waren zwiespältig, je nachdem, ob er sich privat oder öffentlich äußerte. Nach außen hin sang er ein Loblied auf den Humanistenpapst, den er 1508 in Rom kennengelernt hatte und mit dem er sich während seines Aufenthalts angefreundet hatte. Einerseits schätzte er Leo als hochgebildeten Gesprächspartner, andererseits geißelte er jenseits der Öffentlichkeit mit scharfen Worten die Prunksucht und die Verkommenheit des päpstlichen Hofes. Über Leo hätte er dennoch wohl nie eine ätzende Polemik wie »Papst Julius vor der Himmelstür« verfasst. So relativierte er stattdessen die Rede von der Christus-Fabel mit feinem Hintersinn auf seine ganz eigene Art, indem er dem Leser rhetorische Fragen stellt – im Lichte dessen, was seine Zeitgenossen über die berühmte Anekdote wissen konnten.
„Si fabula est Christus, cur non explodimus ingenue? Cur illius titulo gloriamur? Sin is vere est, et via, et veritas, et vita, cur omnes nostrae rationes ab hoc exemplari tantopere dissident? Si Christum auctorem agnoscimus, qui caritas est: et nihil docuit, nihil tradidit, nisi caritatem et pacem: agedum non titulis et insignibus, sed factis hunc exprimamus et vita. Amplectamur pacis studium, ut Christus vicissim agnoscat suos.“[31]
(„Wenn Christus eine Fabel ist, warum lehnen wir sie dann nicht offen ab? Warum verherrlichen wir diesen Namen? Wenn aber Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, warum weichen dann alle unsere Handlungen so von diesem großen Vorbild ab? Wenn wir das Vorbild Christus anerkennen, der Nächstenliebe ist und nichts gelehrt und sich nichts anderem gewidmet hat als Nächstenliebe und Frieden, wohlan, dann sollen nicht Titel und Rang, sondern Taten unser Leben bestimmen! Widmen wir uns dem Streben nach Frieden, damit Christus seinerseits die Seinen erkennt.“)
Streng genommen müsste man hier »fabula« als Geschichte, als mündliche oder schriftliche Tradierung übersetzen, denn dieser Begriff hat wie viele andere einen Bedeutungswandel mitgemacht. Erasmus wie übrigens auch Leo oder Pietro Bembo verwenden ihn so, wie er auch in der Vulgata steht: Et factum est, dum fabularentur, et secum quaererent: et ipse Jesus appropinquans ibat cum illis [Und es geschah, als sie so redeten und einander fragten, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen.] (Lk 24,15). So wie hier in der Geschichte der Emmaus-Jünger versteht Erasmus den Begriff »fabula«, also keineswegs nur als bloße Fiktion, sondern als eine Handlungsbeschreibung. In seiner Auseinandersetzung mit einem entschiedenen Gegner der Reformation, dem französischen Theologen Noël Beda (1470-1537) von der Sorbonne, der ihn der Gotteslästerung verdächtigte, spricht er von „totius Christi fabulae“. Was er damit meinte, wird deutlich in seiner Paraphrase von Mk 11,7. Hier verwendete Erasmus »fabula« in Bezug auf den Einzug Christi in Jerusalem, der auf einem Esel reitend stattfand: „Die Apostel spielten bei dieser Handlung [fabula] eine unterstützende Rolle, auch wenn sie ihren Sinn nicht verstanden.“[32]
Aber der Begriff war schon damals schillernd. Und für das Missverständnis, dem wir heute aufsitzen, wenn wir mit fabula gleich immer eine erfundene Geschichte assoziieren, hat Erasmus beizeiten selbst gesorgt, denn im obigen Zitat schwingt ganz sicher auch ein Erlebnis mit, das zu seinen Lebzeiten für Aufsehen sorgte. Im Jahr 1512, also nur drei Jahre bevor Erasmus den Text schrieb, dem das vorstehende Zitat entnommen ist, wurde ein Niederländer namens Herman Ruissvich in Den Haag als Ketzer verbrannt, nachdem er von einem Inquisitor für schuldig befunden worden war, zu verschiedenen Irrtümern und Häresien zurückgekehrt zu sein, denen er 1499 abgeschworen hatte, unter anderem, dass „er den christlichen Glauben als fabula verleumdet hat, und ebenso die Bücher des Alten Testaments und das Evangelium des Neuen Testaments.“[33]
Eines jedenfalls kann als echt und verbürgt gelten: Der tote Ketzer war ganz sicher keine fabula.
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Anmerkungen
[1] Studi sul Cristianesimo Primitivo: https://cristianesimoprimitivo.forumfree.it/?t=47315745
[2] John Bale: The pageant of popes contayninge the lyves of all the bishops of Rome, from the beginninge of them to the yeare of Grace 1555. London 1574, S. 179 [Online: https://quod.lib.umich.edu/e/eebo/a02895.0001.001/397:41.1?page=root;size=125;vid=711;view=text]. Im lateinischen Original findet man diese Passage auf S. 381f. (John Bale: Acta Romanorum Pontificum. Basel 1558)
[3] Eine französische Übersetzung erschien 1561 in Genf unter dem Titel Les vies des Evèsques et papes de Rome. Die Leo-Episode findet sich darin auf Seite 634. Der französische Text wiederum wurde 1571 von Zachariam Münster aus Büdingen ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht als Bäbstliche Geschichte aller Römischen Bäpste, auch irer füruembsten Geschichten, Händel und Thaten; einige Jahre später dann auch von J(ohn) S(tudley) ins Englische übertragen unter dem o.g. Titel. (s. auch Fn. 10)
[4] Detaillierte Informationen zu Leben und Werk Bales bietet der Artikel des österreichischen Literaturwissenschaftlers Karl Julius Schröer: ‚A Comedy Concernynge Thre Lawes‘ von Jon Bale. In: Anglia. Zeitschrift für englische Philologie. Bd. 5, Halle 1882, S. 137-159
[5] Robert Taylor: The Diegesis. Being a Discovery of the Origin, Evidences, and Early History of Christianity, Never Yet Before or Elsewhere So Fully and Faithfully Set Forth, Boston 1829 (2. Aufl. 1860)
[6] William Roscoe: The Life and Pontificate of Leo the Tenth, Bd. 3, (zit. nach der . 2. überarb. Aufl .) Heidelberg 1828, S. 338f
[7] Philippe de Mornay: Mystère d’iniquité: c’est à dire l’histoire de la papauté. Saumur 1611, S. 584
[8] „La tradition est qu’aiant ouï alléguer à son Sécrétaire Bembus quelque chose de l’Evangile, il lui répondit, On sait de tems immémorial combien cette Fable de Jesus-Christ nous a été profitable, quantum nobis nostrisque ea de Christo fabula profuerit satis est omnibus seculis notum. On voit ce Conte dans le Mystere d’Iniquité, & dans une infinité d’autres Livres, toûjours sans être muni de citation, ou n’aiant pour toute preuve que l’autorité de Baleus : desorte que trois ou quatre cens Auteurs plus ou moins, qui ont débité cela en se copiant les uns les autres, doivent être réduits à un seul témoin qui est Baleus, témoin manifestement récusable, puis qu’il écrivoit en guerre ouverte contre le Pape, contre toute l’Eglise Romaine. Il n’y a point de Tribunaux dans le monde qui reçurent les dépolirions d’un pareil témoin jurant qu’il a vu, ou qu’il a ouï; car dès qu’il aparoîtroit de la guerre ouverte où il vivroit avec celui contre lequel il déposeroit, on déclareroit valables les réeufations de l’accusé. Puis donc que les Livres de Controverse sont les Pièces que les parties produisent dans un Procès qui se plaide devant le public, il est sûr que le témoignage d’un Controversiste Protestant fur un fait qui flétrit les Papes, ni le témoignage d’un Controversiste Papiste fur un fait qui flétrit les Réformateurs, ne doivent être comptez pour rien. Le Public Juge choisi du Procès doit mettre à néant tous ces témoignages, & n’y avoir pas plus d’égard qu’aux choses non avenues.“ (Pierre Bayle: Dictionaire Historique et Critique. Amsterdam-Leiden 1730, S. 83)
[9] Heinrich Graetz: Volkstümliche Geschichte der Juden, Bd. 3. Berlin-Wien 1923, S. 185
[10] John Bale: Scriptorum Illustrium maioris Brytanniae. Basel 1557, S. 667. („homo peccati, filius perditionis”: Anspielung auf 2Thes 2,3) In der (noch unvollständigen) Erstausgabe Illustrium maioris Brytanniae scriptorum, die 1548 erschien und noch King Edward gewidmet war, findet sich dieses Zitat nicht. Denn es entstammt einem längeren Appendix zur Geschichte der römischen Päpste, der erstmals in der Ausgabe des Jahres 1557 angefügt wurde und dann ein Jahr später als Acta romanorum pontificum ebenfalls in Basel als Separatdruck erschien.
[11] vgl. Leslie P. Fairfield: John Bale – Mythmaker for the English Reformation. West Lafayette: Purdue University Press 1976
[12] So der italienische Humanist und Päpstliche Legat Girolamo Rorario in einem Brief an den Reformator Kardinal Ennio Verulano. In: Cesare Cantu: Gli eretici di Italia, discorsi storici. Turin 1865
[13] Stephanus Szegedinus Kis: Speculum Pontificum Romanorum, Basel 1584, S. 73f; fast identisch auch noch einmal unter der Rubrik Athei (Atheisten);. a.a.O., S. 85
[14] Nr. 48 der Historiae quaedam recitate inter publicas lectiones. In: Brettschneider, K.G. (Hg.): Philippi Melanthonis Opera quae supersunt omnia, vol.XX. Braunschweig 1854, S. 519f; auch erwähnt in den Schriften des 1919 verstorbene Oberbibliothekars der Wolfenbütteler Bibliothek, Gustav Milchsack: Gesammelte Aufsätze über Buchkunst und Buchdruck, Doppeldrucke, Faustbuch und Faustsage, sowie neue Handschriften von Tischreden Luthers und Dicta Melanchthonis. Wolfenbüttel 1922
[15] Dazu ausführlich Hans W. Hubert: Luther und die Peterskirche – Bauplanung, Baufinanzierung, Baukritik. In: Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom Band 134 (2017), S. 435-470
[16] Um den genauen Wortlaut dieser Bulle zu finden, muss man schon weit zurückgehen. Eigentlich sollte sie sich in Band 5 des Bullarum Diplomatum et privilegiorum sanctorum romanorum Pontificum, Ausgabe Turin 1860, befinden, doch wurde sie passenderweise ausgelassen. Um sie zu finden, muss man schon die Edition des vorhergehenden Bullarum magnum romanum (Luxemburg 1727) heranziehen. Dort findet sich die Bulle vom 14. September 1517 im Nachtrag zu Bd. 10, S. 37. Sie beginnt mit den Worten „Postquam ad apostolatus apicem“. Zusammengefasst nach der vollständigen lateinisch-deutschen Fassung, abgedruckt bei L.M. Eisenschmid: Römisches Bullarium, oder, Auszüge der merkwürdigsten päpstlichen Bullen. Bd. 1. Neustadt 1831 S. 417-440
[17] Eisenschmid, a.a.O., S. 431
[18] Man sollte hier nicht unerwähnt lassen, dass der Enzyklopädist und Reformator Johann Heinrich Alsted in seiner Scientiarum omnium encyclopaedia, (Lyon 1649) diese Anekdote im Jahr 1513 einfügte, wo es heißt: „Pontifex Rom. in colloquio Bembi Evangelium est fabula de Christo“.
[19] Sibrand Lubbert: De papa romano libri decem, Franeker 1594, S. 908
[20] Johannes Gerhard: Harmoniae Quattuor Evangelistarum. Epistola dedicatoria zu Bd. 2, Teile 3-5. Genf 1645, unpag. (S. 2)
[21] Johannes Gerhard: Confessio Catholica. Frankfurt 1679, S. 669
[22] John Jewel: A Defence of the Apologie of the Churche of Englande. London 1567, S. 220 Englische Übersetzung der lateinischen Fassung Apologia Ecclesiae Anglicanae (1562)
[23] Massimo Danzi: L’umanista e il cardinale: parametri per una interpretazione storica della biblioteca di Pietro Bembo. In: Fiometta Sabba (Hg.): Le biblioteche private come paradigma bibliografico, Roma, Bulzoni, 2008, S. 29
[24] Gregorius Michael: Notae in Jacobi Gaffarelli Curiositates. Hamburg 1676; eine andere Quelle, der in Leiden lehrende deutsche Theologe Georg Horn (1620-1670), drückte sich etwas vornehmer aus und verdeutlichte den Sinn sogar noch mit einem Zitat des Humanisten Angelo Poliziano (1454-1494), dem Mastermind des klassischen Latein: „Dux & Caput factionis Angelus Politianus erat, qui interrogatus an Biblia legeret : Semel, inquit, perlegi librum histum et numquam collocavi pejus ullum tempum […] Cui ομόφηων erat Petrus Bembus, qui, Semel, inquiebat, legi Biblia, si iterum mihi legenda essent, omnem perderem latinitatem. Idem, cum aliquando P. Sadoletum in Epistolas Pauli commentantem offendisset, non decent, inquit, talem virum tantae ineptiae“. [Angelo Poliziano, der Spiritus rector dieser Truppe, antwortete auf die Frage, ob er jemals die Bibel gelesen habe: »Ich habe dieses Buch nur einmal gelesen, und ich habe meine Zeit nie schlechter verschwendet.« Ins selbe Horn stieß Pietro Bembo, als er sagte: »Ich habe die Bibel nur einmal gelesen, und wenn ich gezwungen wäre, sie noch einmal zu lesen, würde ich mein gutes Latein für immer verlieren.« Derselbe kritisierte Sadoleto wegen seines Kommentars zum Paulusbrief und sagte: »Es ist nicht angemessen, dass ein Mann mit deinem Intellekt sich in solchen Belanglosigkeiten verliert.«„] (Georg Horn: Historia philosophica libri septem. Leiden 1655, S. 312)
[25] Melchior Adam: Vitae Germanorum theologorum, qui superiori seculo Ecclesiam Christi voce scriptisque propagarunt et propugnarunt. Frankfurt am Main und Heidelberg 1620, S. 360
[26] Pierre Bayle: Historisches und critisches Wörterbuch, Band 3, Artikel Melanchthon. In der zeitgenössischen Übersetzung von Johann Christoph Gottsched. Leipzig 1743, S. 381
[27] Johannes Gerhard: Harmoniae Quattuor Evangelistarum. Epistola dedicatoria zu Bd. 2, Teile 3-5. Genf 1645, unpag.
[28] Georg Major: Homeliae In Evangelia Dominicalia Et Dies Festos. Bd. 3. Wittenberg 1564, S. 136
[29] Johann Lampadius: Melleficium Historicum. Marburg 1611, S. 351
[30] Christoph Irenaeus: Trostspiegel. Eisleben 1584, (unpaginiert)
[31] Erasmus: Adagium ›Dulce bellum inexpertis‹. In: Johann Froben: Bellum per Des. Eras. Rotterdamum. Basel 1517, S. 19. Deutsch in: Erasmus von Rotterdam. Ausgewählte Schriften. Hg. von Werner Welzig. Bd. 5. Querela Pacis. Die Klage des Friedens. Hg. v. Gertraud Christian. Darmstadt 1968
[32] Eine angemessene Übersetzung für fabula wäre demnach das griechische Wort Δράμα (Drama = Szene oder Handlung) gewesen, hielt er Beda vor, als dieser ihn der Blasphemie verdächtigte und insinuiert hatte, er würde die Geschehnisse um Christus, wie sie in den Evangelien beschrieben werden. für einen Märchenerzählung halten. Vgl. Peter G. Bietenholz: Historia and Fabula: Myths and Legends in Historical Thought from Antiquity to the Modern Age. Leiden 1994, S. 147f
[33] Charles Trinkaus (Hg.): Collected Works of Erasmus: Controversies. Bd. 76. Toronto 1999, S. 57 (Anm. 271)
Literaturverzeichnis
Adam, Melchior: Vitae Germanorum theologorum, qui superiori seculo Ecclesiam Christi voce scriptisque propagarunt et propugnarunt. Frankfurt am Main und Heidelberg 1620
Bale, John: The pageant of popes contayninge the lyues of all the bishops of Rome, from the beginninge of them to the yeare of Grace 1555. London 1574
Bale, John: Acta Romanorum Pontificum, a dispersione discipulorum Christi, usq; ad tempora Pauli quarti, qui nunc in Ecclesia tyrannizat. Basel 1558
Bayle, Pierre: Dictionaire Historique et Critique, Bd. 3. Amsterdam-Leiden 1730
Bayle, Pierre: Historisches und critisches Wörterbuch, Band 3. In der Übersetzung von Johann Christoph Gottsched. Leipzig 1743
Brettschneider, Karl Gottlieb (Hg.): Philippi Melanthonis Opera quae supersunt omnia, vol.XX. Braunschweig 1854
Bullarum magnum romanum. Luxemburg 1727
Cantu, Cesare: Gli eretici di Italia, discorsi storici. Turin 1865
de Mornay, Philippe: Mystère d’iniquité: c’est à dire l’histoire de la papauté. Saumur 1611
Eisenschmid, Leonhard Martin: Römisches Bullarium, oder Auszüge der merkwürdigsten päpstlichen Bullen. Bd. 1. Neustadt 1831
Fairfield, Leslie P.: John Bale – Mythmaker for the English Reformation. West Lafayette: Purdue University Press 1976
Froben, Johann: Bellum per Des. Eras. Rotterdamum. Basel 1517
Gerhard, Johannes: Harmoniae Quattuor Evangelistarum. Epistola dedicatoria zu Bd. 2, Teile 3-5. Genf 1645
Graetz, Heinrich: Volkstümliche Geschichte der Juden, Bd. 3. Berlin-Wien 1923
Horn, Georg: Historia philosophica libri septem. Leiden 1655
Hubert, Hans W.: Luther und die Peterskirche – Bauplanung, Baufinanzierung, Baukritik. In: Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom Band 134 (2017), S. 435-470
Irenaeus, Christoph: Trostspiegel. Eisleben 1584
Jewel, John: A Defence of the Apologie of the Churche of Englande. London 1567
Kis, Stephanus Szegedinus: Speculum Pontificum Romanorum, Basel 1584
Lampadius, Johann: Melleficium Historicum. Marburg 1611
Lubbertus, Sibrandus: De papa romano libri decem. Franeker 1594
Major, Georg: Homeliae In Evangelia Dominicalia Et Dies Festos. Bd. 3. Wittenberg 1564
Michael, Gregorius: Notae in Jacobi Gaffarelli Curiositates. Hamburg 1676
Milchsack, Gustav: Gesammelte Aufsätze über Buchkunst und Buchdruck, Doppeldrucke, Faustbuch und Faustsage, sowie neue Handschriften von Tischreden Luthers und Dicta Melanchthonis. Wolfenbüttel 1922
Roscoe, William: The Life and Pontificate of Leo the Tenth, Bd. 3, 2. überarb. Aufl ., Heidelberg 1828
Sabba, Fiammetta (Hg.): Le biblioteche private come paradigma bibliografico. Rom 2008
Schröer, Karl Julius: ‚A Comedy Concernynge Thre Lawes‘ von Jon Bale. In: Anglia. Zeitschrift für englische Philologie. Bd. 5, Halle 1882, S. 137-159
Taylor, Robert: The Diegesis. Being a Discovery of the Origin, Evidences, and Early History of Christianity, Never Yet Before or Elsewhere So Fully and Faithfully Set Forth, Boston 1829 (2. Aufl. 1860)