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Auf dem Segler von Caspar David Friedrich
Die Geschichte der romantischen Bewegung in Deutschland ist eine Geschichte voller Brüche und Missverständnisse. Nur zwischen 1933 und 1945 schien alles klar zu sein. Denn für die Nationalsozialisten war anscheinend die Romantik die einzig akzeptable Form von Kunst, abgesehen von Arno Brekers monumentalen Skulpturen und den großformatigen sterilen Akten des »Reichsschamhaarmalers« Adolf Ziegler. Man feierte die Romantik als besten Beleg für die »deutsche Innerlichkeit«. Ganz besonders das Werk Caspar David Friedrichs galt den neuen Machthabern als die ‚reinste Verkündigung der Seele des ewigen Deutschlands‘. Beim Lesen von Florian Illies neuem Buch über Caspar David Friedrich, Zauber der Stille, stieß ich auf eine Geschichte, die Stoff für einen Roman, zumindest für…
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Karl Marx und der „jüdische Nigger Lassalle“
Der wortgewaltige Karl Marx war schon in seinen journalistischen oder wissenschaftlichen Artikel recht drastisch, wenn es um die Bewertung und Charakterisierung von Freund und Feind ging. Besonders in seinen Briefen schreckte er auch vor vulgären Invektiven nicht zurück: "Der jüdische Nigger Lassalle, der glücklicher Weise Ende dieser Woche abreist, hat glücklich wieder 5000 Taler in einer falschen Spekulation verloren."
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Das „Propagandablatt des Nicolaus Cusanus“
Vor ein paar Tagen las ich etwas nach in einem von Uwe Toppers älteren, wie immer (und sei es zum Widerspruch) höchst anregenden Bücher zur Chronologiekritik – dem Kalender-Sprung aus dem Jahre 2006. Beim Lesen fiel mir eine Passage ins Auge, die mir bei früherer Lektüre entgangen war. Es ging da um ein frühes Druckwerk Johannes Gutenbergs aus dem Jahre 1439, angeblich eine Auftragsarbeit für den Kardinal Nikolaus von Kues (Cusanus). „Gutenbergs erster Druckauftrag gehört zur Kampfzeit der Kirche; er kam von einem katholischen Agenten, Nikolaus von Kues (Cusanus). Dieser bestellte den Druck eines Verzeichnisses der fast tausend christlichen Gemeinden in Deutschland, zum Zusammenhalt gegen die anderen (noch nicht christianisierten)…
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Sankt Augustinus und die Zahnschmerzen
Als Patronin der Zahnschmerzen, pardon: derer, die an den Zähnen leiden (ja, sowas gibt’s!), gilt heute allgemein eine ägyptische Konvertitin zum Christentum – ja, selbstverständlich eine Märtyrerin! Die hl. Apollonia soll im 3. Jahrhundert gelebt haben. Da Apollonias Eltern partout keinen Kinder kriegen konnten und auch das Anflehen der diversen heimischen Götter nicht half, soll sich Apollonias Mutter um die Fürsprache der Gottesmutter Maria direkt bei Jesus bemüht haben. Und wurde natürlich schwanger – mit einer Tochter, die sie dann sinnvollerweise nach dem Gott Apoll benannten: Apollonia. Als das junge Mädchen später von dieser wundersamen Fügung erfuhr, habe sie sich zum Christentum bekehrt. Das sollte sie noch bereuen! Im letzten…
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Der Schiffbrüchige
Imre Kertesz, der ungarische Schriftsteller und einstige KZ- Häftling, erzählt folgende Geschichte: Der einzige Überlebende eines Schiffsunglücks wird an den Strand einer unbewohnten Insel gespült. Tag für Tag hält er Ausschau nach Rettung. Immer vergeblich. Schließlich baut er für sich und seine wenigen Habseligkeiten eine kleine Hütte aus Holz. Eines Tages aber geht seine Hütte in Flammen auf. Nun hat er endgültig alles verloren. Er schreit und klagt vor Zorn und Verzweiflung. Am nächsten Morgen hört er das Geräusch eines Motorbootes. Er springt auf – und tatsächlich, man will ihn retten. »Woher wusstet ihr, dass ich hier bin?«, fragt er glückstaumelnd seine Retter. »Wie haben die Rauchsignale gesehen, die über…
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Der Tempel der tausend Spiegel
Es gab in Indien den Tempel der tausend Spiegel. Er lag hoch oben auf einem Berg und sein Anblick war gewaltig. Eines Tages kam ein Hund und erklomm den Berg. Er stieg die Stufen des Tempels hinauf und betrat den Tempel der tausend Spiegel. Als er in den Saal der tausend Spiegel kam, sah er tausend Hunde. Er bekam Angst, sträubte das Nackenfell, klemmte den Schwanz zwischen die Beine, knurrte furchtbar und fletschte die Zähne. Und tausend Hunde sträubten das Nackenfell, klemmten die Schwänze zwischen die Beine, knurrten furchtbar und fletschten die Zähne. Voller Panik rannte der Hund aus dem Tempel und glaubte von nun an, dass die ganze Welt…
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Sind Frauen in Hosen dem HErrn ein Greuel?
Wenn es auch, bisher zumindest, im orthodoxen Judentum oder auch in Kreisen des christlichen Fundamentalismus nicht zu Vermummungsexzessen wie bei Anhängerinnen des Islam gekommen ist, so ist doch auch bei uns der Trend zu einer weiblich „angemessener“ Kleidung aus religiösen Gründen unverkennbar. Mit dem Erstarken der „Pfingstbewegung“ und anderer fundamentalistisch bis endzeitlich orientierter evangelikalen Strömungen, die vor allem aus den USA zu uns hinüberwogen, etabliert sich neben anderen Fragwürdigkeiten auch eine feste Kleiderordnung, die von den bibeltreuen Christen als gottgewollt empfunden wird. In der Regel beruft man sich da auf das 4. Buch Mose : „Eine Frau soll nicht die Ausrüstung eines Mannes tragen und ein Mann soll kein Frauenkleid…
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Ballermann Schmidt und der lange Geduldsfaden
Die bierernste Kritik an den Fußballkommentatoren der diesjährigen WM mag ja teilen wer will. Recht betrachtet bieten gerade die Fußballkommentare nicht selten kurzweilige Zerstreuung, sofern man sich gelegentlich vom packenden Spielgeschehen zu lösen vermag. Beim gestrigen Match Niederlande gegen Costa Rica war das nicht einfach, denn im Minutentakt gaben sich sozusagen die schiefen Metaphern die Klinke in die Hand, weil der Kommentator Oliver Schmidt eisern an selbiger festhielt. Dabei gehört er nicht mal zu der Sorte von Besserwissern, die stets genau erkannt haben wollen, wo die Unparteiischen sich wieder mal eine Schlappe geleistet haben. Nein, Schmidt vertraut ganz dem Urteil des Zuschauers, da „hier das Spiel nur eindimensional“ ist –…
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Zufriedenheit und Glück
Es kamen einmal ein paar Suchende zu einem alten Zenmeister. “Herr”, fragten sie, “was tust du, um glücklich und zufrieden zu sein? Wir wären auch gerne so glücklich wie du.” Der Alte antwortete mit mildem Lächeln: “Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich und wenn ich esse, dann esse ich.” Die Fragenden schauten etwas betreten in die Runde. Einer platzte heraus: “Bitte, treibe keinen Spott mit uns. Was du sagst, tun wir auch. Wir schlafen, essen und gehen. Aber wir sind nicht glücklich. Was ist also dein Geheimnis?” Es kam die gleiche Antwort: “Wenn ich liege, dann liege…
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Metapher: Kampf der Wölfe
„Die Sonne war schon lange untergegangen und ein alter Indianer sitzt mit seinem Enkelsohn am Lagerfeuer. Beide lauschen dem Knistern der Flammen. „Manchmal“, sagt der alte Indianer, „manchmal habe ich das Gefühl, dass in meiner Brust zwei Wölfe gegeneinander kämpfen.“ Er schaut seinem Enkelsohn tief in die Augen. „Der eine ist aggressiv, rachsüchtig und will zerstören. Der andere ist sanft, liebevoll und nimmt Anteil am Leben anderer.“ Der Junge sitzt eine ganze Weile still und schweigend da.“Welcher Wolf gewinnt den Kampf?“, will er wissen. „Der Wolf“, sagt der alte Indianer und macht eine Pause, „den ich füttere.“